Fraktionen uneinig über Kosten des Netzausbaus
Die Bundesregierung will die Kosten des digitalen Netzausbaus senken. Der dazu vorgelegte Gesetzentwurf „zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze“ (18/8332), mit dem die EU-Kostensenkungsrichtlinie umgesetzt werde soll, wurde am Donnerstag, 12. Mai 2016, erstmals im Plenum des Bundestags beraten. Alexander Dobrindt (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, bezeichnete dabei den Entwurf als „Meilenstein in der Gigabit-Strategie der Bundesregierung“ und sprach von einem Einsparvolumen von 20 Milliarden Euro.
Zustimmung und Kritik für den Gesetzentwurf
Redner der Koalitionsfraktionen befürworteten den Entwurf ebenfalls. Von einem Beitrag zur „signifikanten Kostensenkung“ sprach Martin Dörmann (SPD). Mit dem Gesetz werde der Breitbandausbau substanziell nach vorne gebracht, sagte Thomas Jarzombek (CDU/CSU). Kritik gab es von den Oppositionsfraktionen. Das Einsparvolumen sei viel zu hoch angesetzt, bemängelte Herbert Behrens (Die Linke). Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, zwar werde mit dem Gesetz die EU-Kostensenkungsrichtlinie „größtenteils sinnvoll“ umgesetzt. Doch fehle es nach wie vor an einer Breitbandstrategie der Bundesregierung.
Der Gesetzentwurf enthält Ansprüche der Netzbetreiber auf die Nutzung existierender passiver Netzinfrastrukturen, sowie auf einen verbesserten Zugang zu Informationen über die tatsächliche Versorgungslage. Zudem ist die Mitverlegung von geeigneten passiven Netzinfrastrukturen und Glasfaserkabeln bei öffentlich finanzierten Bauarbeiten und bei der Erschließung von Neubaugebieten geregelt.
Minister: Wer die Netze hat, erreicht Wertschöpfung
„Jede Baustelle schafft Bandbreite“, sagte zu Beginn der Debatte Alexander Dobrindt. Deutschland stehe in einem Wettbewerb „der Regionen der Welt“, den man nur mit Bandbreite für sich beeinflussen könne. „Der Grundsatz heißt: wer die Netze hat, der erreicht die Wertschöpfung.“ Wer hingegen nicht komplett digitalisiert sei, verliere den internationalen Wettbewerb. Der Minister verwies auf die Anstrengungen der Bundesregierung in den vergangenen Jahren. So habe man die Netzallianz ins Leben gerufen, deren Teilnehmer allein 2016 80 Milliarden Euro in den Netzausbau investieren wollten.
Außerdem seien 2,7 Milliarden Euro an Fördermitteln für bislang unterversorgte Regionen in Deutschland bereitgestellt worden. Dabei verfolge die Bundesregierung ein Vorfahrtsprinzip für Glasfaser. Ziel sei es nach wie vor, bis 2018 eine Datenübertragungsrate von mindestens 50 Megabit pro Sekunde in ganz Deutschland zu erreichen. Der Gesetzentwurf sei ein weiterer Beitrag dorthin, sagte Dobrindt und rechnete ein Beispiel für die Kosteneinsparungen aus. Jede Verlegung eines Meters Glasfaser koste durchschnittlich etwa 80 Euro. „Wenn wir die Glasfaser bei unseren Investitionen in die Infrastruktur gleich mitverlegen sinken die Kosten auf 17,50 Euro“, sagte der Minister.
Linke: Deutschland kommt keinen Schritt voran
Herbert Behrens sah das anders. Laut des Verbandes der kommunalen Unternehmen sei die konventionelle Verlegung oft kostensparender als die im Gesetz angedachte, sagte der Linke-Abgeordnete. Behrens nannte auch komplett andere Zahlen als der Minister. Wie ein Netzbetreiber ihm gesagt habe, koste ein Meter klassischen Tiefbaus zwischen 20 und 30 Euro. Die komplizierte und technisch sehr aufwendige Idee, Ver- und Entsorgungsstrukturen zu nutzen, koste hingegen 80 Euro.
„Wer hier von Kosteneinsparungen spricht, hat irgendwas nicht mitbekommen“, urteilte Behrens. Seiner Ansicht nach kommt Deutschland mit dem Gesetz „keinen Schritt voran“. Statt Unternehmen zu pampern, in der Hoffnung, sie würden dann in den Netzausbau investieren, müsse der Breitbandausbau mit Glasfaser als öffentliche Aufgabe begriffen und mit Investitionen aus dem Bundeshaushalt unterfüttern werden, sagte Behrens.
SPD: Nachbesserungsbedarf wird geprüft
Martin Dörmann verwies darauf, dass gerade die noch zu erschließenden restlichen 30 Prozent – um zu einer flächendeckenden Mindestversorgung von 50 Megabit pro Sekunde zu gelangen – am schwersten seien. Dies liege an bestehenden Wirtschaftlichkeitslücken, insbesondere aufgrund der Kosten für Tiefbauarbeiten für die Verlegung von Glasfaserkabeln. „Hier setzt der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf an“, sagte der SPD-Abgeordnete, der sich zuversichtlich zeigte, dass eine Kosteneinsparung zu erreichen ist. An seinen Vorredner gewandt sagte Dörmann, man werde im parlamentarischen Verfahren genau prüfen, wo noch Nachbesserungsbedarf besteht.
Dörmanns Fraktionskollege Lars Klingbeil machte deutlich, dass auch im ländlichen Bereich schnelles Internet vorhanden sein müsse. Dies sei auch für die Standortentscheidung von Unternehmen von immer größerer Bedeutung. Er sei zuversichtlich, dass es gelingen werde, die 50 Mbit/s bis Ende 2018 flächendeckend zu erreichen.
Grüne: Ein Tropfen auf dem heißen Stein
Diesen Optimismus teilte Tabea Rößner nicht. „Wie bitteschön sollen denn die restlichen 30 Prozent geschafft werden“, fragte sie. Das vorgelegte Gesetz werde mit Sicherheit „nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein“. Es werde nicht dafür sorgen, dass Deutschland über Nacht zu Gigabit-Land wird. Dafür bräuchte es Investitionen in Milliardenhöhe. Im Übrigen sehe es angesichts der Stellungnahmen des Bundesrates nicht so aus, als ob das Gesetz problemlos die Länderkammer passieren könne.
Was das angeführte Einsparvolumen von 20 Milliarden Euro angeht, so sei das eine Milchmädchenrechnung, „die jeden Controller schwindlig werden lässt“. Es gebe bislang überhaupt keine Aussage dazu, in welchem Ausmaß die bisher nicht mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde versorgten Gebiete durch Mitverlegung erschlossen werden können. Nur auf diesem Anteil dürfe man aber das Einsparpotenzial berechnen, befand Rößner. Ihrer Ansicht nach drohen zudem Fehlinvestitionen, wenn bei allen Baumaßnahmen Glasfaserkabel verlegt werden sollen, obwohl es noch gar keinen Betreiber für die Netze gibt. Ihr Fazit: „Deutschland wird bis 2018 kein schnelles Internet haben weil es keine schnelle Regierung hat.“
CDU/CSU: Deutschland nicht schlecht reden
Es sei keine kluge Strategie der Opposition, Deutschland immer schlecht zu reden, entgegnete Thomas Jarzombek. Der Unionsabgeordnete verwies auf eine Studie des IT-Branchenverbandes Bitkom, wonach die tatsächliche Breitbandnutzung in Deutschland mit 85 Prozent über dem EU-Durchschnitt liege. Seiner Ansicht nach werde zudem bei der Debatte ein entscheidender Punkt vergessen. „Es kommt nicht nur auf die Geschwindigkeit an, sondern auch darauf, ob die Menschen sich das leisten können.“ Als Folge der Liberalisierung seien die Preise in Deutschland herunter gegangen. „Ich glaube, es ist gut, dass sich in Deutschland auch Menschen ohne ein hohes Einkommen einen Breitbandanschluss leisten können“, sagte Jarzombek.
Was den Gesetzentwurf angeht, so machte der CDU-Politiker deutlich, dass es richtig sei, künftig bei Baumaßnahmen unbeschaltete Glasfaserkabel mitzuverlegen, auch wenn noch nicht klar sei, wer die wann nutzt. Ziel sei schließlich das schnelle 5G-Funknetz, wofür alle 200 Meter mit einem Glasfaserkabel verbundene Masten benötigt würden, sagte Jarzombek.
Im Anschluss an die Debatte wurde der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Verkehrsausschuss überwiesen. (hau/12.05.2016)